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Die Wald-Erdbeere (Fragaria vesca), auch Monatserdbeere, seltener Rotbeere genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Erdbeeren (Fragaria) innerhalb der Familie der Rosengewächse (Rosaceae). Die Wald-Erdbeere dient dem Menschen schon lange als Nahrung, wie auch die botanische Artbezeichnung ausdrückt (vesca ‚essbar‘ von vescere ‚verzehren‘). Sie wird außerdem als Heilpflanze verwendet und wurde in der mittelalterlichen Malerei als Symbolpflanze häufig abgebildet. Als weiterer Trivialname ist „Buscherdbeere“ belegt.
Die Wald-Erdbeere ist keine Wildform der Gartenerdbeere.
Beschreibung und Ökologie
Vegetative Merkmale
Die Wald-Erdbeere ist eine wintergrüne, ausdauernde, krautige Pflanze. Sie erreicht Wuchshöhen von meist 5 bis 25 Zentimetern und ist damit im Wuchs kleiner als die Gartenerdbeere. Die Laubblätter stehen in einer grundständigen Rosette zusammen.
Generative Merkmale
Die Blüten erscheinen in den Monaten April bis Juni, und im Laufe des Sommers reifen sie heran. Bei ausreichend starkem Sonneneinfall tragen einzelne Pflanzen auch bis zum Winterfrost Blüten und Früchte. Die Stängel tragen jeweils nur wenige Blüten. Die zwittrigen Blüten sind radiärsymmetrisch und fünfzählig. Jeweils fünf kleine Außenkelchblätter umgeben eine Blüte. Ein zweiter, alternierender Kreis wird von den eigentlichen Kelchblättern gebildet. Die Blüte hat fünf weiße Kronblätter. Es sind etwa 20 gelbe Staubblätter vorhanden. Die Fruchtblätter haben eine gelbgrüne Farbe. Die Blüten sind vorweiblich, womit eine Selbstbestäubung verhindert wird.
Verwechslungsmöglichkeit
Eine Verwechslungsmöglichkeit besteht mit der Indischen Scheinerdbeere, die eine ähnlich aussehende Frucht hat. Ähnlich, aber größer, ist die Moschus-Erdbeere (Fragaria moschata).
Aber während bei der Walderdbeere die Haare am Blütenstiel anliegend zur Blüte hin gerichtet sind, sind die Haare bei der Moschus-Erdbeere abstehend und zeigen in Richtung Wurzel.
Systematik und Chromosomenzahl
Die Wald-Erdbeere ist diploid mit einer Chromosomenzahl von 2n = 14 und ist nicht die Wildform der Gartenerdbeere. Diese ist eine Kreuzung zwischen der Chile-Erdbeere (Fragaria chiloensis) und der Scharlach-Erdbeere (Fragaria virginiana), die beide aus der Neuen Welt stammen.
Vermehrungsmechanismen
Seit einem Hinweis von Antoine Furetière (1619–1688) ist bekannt, dass die Pflanzen der Wald-Erdbeere sich entweder durch Stolonen (Ausläufer) vermehren oder Früchte und Samen ausbilden. Einer im Jahr 2017 publizierten Studie zufolge wird dieses Phänomen durch das Gen „FaGA20ox4“ verursacht, das für die Ausbildung der Ausläufer verantwortlich ist. Verringert eine Mutation dieses Gens die Produktion des Phytohormons GA20 aus der Gruppe der Gibberelline, bleibt die Bildung von Ausläufern aus.
Die Ausbildung der Sammelnussfrucht
Die Blüten bieten bestäubenden Insekten ein hohes Pollenangebot und außerdem am Blütengrund leicht zugänglichen Nektar. Zu den bestäubenden Insekten zählen Fliegen, Schwebfliegen und Bienen. Auch Ameisen lassen sich gelegentlich an den Blüten beobachten. Sie lecken jedoch lediglich den Nektar auf und betätigen sich damit als „Nektarräuber“, ohne eine Funktion bei der Bestäubung zu haben.
Aus den bestäubten Blüten entwickeln sich die Früchte, die zwar im deutschen Sprachgebrauch als „Beeren“ bezeichnet werden, bei denen es sich botanisch gesehen jedoch um eine Sammelnussfrucht handelt. Jedes einzelne Fruchtblatt der Blüte bildet ein 1 mm langes hartschaliges Nüsschen aus. Gemeinsam mit der sich parallel verdickenden Blütenachse (die nun eigentlich eine Fruchtachse ist), bildet sich aus den zahlreichen Nüsschen die Frucht. Mit zunehmender Fruchtreife verfärben sich die Blütenachsengewebe, die im unreifen Zustand grün sind, durch Anthocyane nach Rot um. Gleichzeitig nimmt der Wassergehalt in dem Blütenachsengewebe zu und die Frucht nimmt einen intensiven Geschmack an.
Endochorie, Blastochorie, Barochorie – die Ausbreitungsarten der Wald-Erdbeeren
Tiere und Menschen, welche die Frucht essen, scheiden die kleinen hartschaligen Nüsschen wieder aus, so dass die Nüsschen – sofern sie geeignete Standortbedingungen vorfinden – keimen können (sogenannte Endochorie). Säugetiere wie Rotfuchs, Dachs, Eichhörnchen, Igel, Rötelmaus und Siebenschläfer; Vögel wie Amsel, Hausrotschwanz, Rotkehlchen, Mönchsgrasmücke und Wirbellose wie Weinbergschnecke, einige Käferarten und Tausendfüßer werden von den rotfarbigen Früchten angelockt und sind damit an ihrer Verbreitung beteiligt. Ameisen schleppen die Früchte in ihre Baue, verfüttern das Fruchtfleisch an ihre Larven und tragen anschließend die verbliebenen Nüsschen aus dem Bau.
Die Wald-Erdbeere benutzt allerdings nicht nur die Endochorie als Ausbreitungsmechanismus. Früchte, die an den Stängeln verbleiben, vertrocknen nach einiger Zeit. Die Nüsschen fallen dabei herab. Diesen Mechanismus bezeichnet man als Barochorie. Walderdbeeren vermehren sich außerdem vegetativ. Sie bilden lange Ausläufer, die sich bewurzeln und neue Rosetten ausbilden (sogenannte Blastochorie).
Vorkommen
Die Wald-Erdbeere ist in weiten Teilen Europas und Nordasiens beheimatet. Sie wächst bevorzugt in lichten Laub- und Nadelwäldern sowie entlang der Waldränder. Die Wald-Erdbeere bevorzugt sonnige bis absonnige Standorte und benötigt feuchte, aber gut durchlässige, nährstoff- und humusreiche Böden. Sie ist in Mitteleuropa eine Charakterart der Klasse Epilobietea, kommt aber auch in Pflanzengesellschaften der Verbände Alliarion oder Trifolion medii vor. In den Allgäuer Alpen steigt sie am Aggenstein in Bayern bis zu einer Höhenlage von 1750 Metern auf.
Verwendung als Nahrungsmittel
„Die Köch seind der Erdbeeren auch gewar worden, machen gute Müßlein darauß“, schrieb Hieronymus Bock über die Walderdbeere. Aus archäologischen Funden weiß man, dass Walderdbeeren schon lange zu den von Menschen gesammelten Früchten gehören. In der Antike wurden sie von römischen Dichtern gepriesen. Ovid, Plinius und Vergil haben dieser Pflanzenart bereits Zeilen gewidmet.
Im Mittelalter wurde die Wald-Erdbeere (lateinisch damals Fragaria) ab dem 14. Jahrhundert großflächig angebaut, ohne jedoch die Fruchtgröße merklich steigern zu können. Die Entdeckung der großfrüchtigeren Chile-Erdbeere (Fragaria chiloensis) und die darauffolgende Kreuzung mit der amerikanischen Scharlach-Erdbeere (Fragaria virginiana) führten dazu, dass die Walderdbeere seit dem 18. Jahrhundert fast nicht mehr kultiviert wurde. Später züchtete man wieder mit der Walderdbeere, wodurch als Kulturform der Walderdbeere die Monatserdbeere entstand.
Mit Walderdbeeren werden auch heute noch gelegentlich Konfitüren und Marmeladen aromatisiert. Die grünen Kernchen der Früchte enthalten einen Bitterstoff, der erst nach ein paar Minuten beim Kochen zum Vorschein kommt. Konfitüre ausschließlich aus Walderdbeeren kann dadurch bitter schmecken.
Monatserdbeeren
Die heutzutage kultivierten Formen haben eine gegenüber der gewöhnlichen Walderdbeere verlängerte Blütezeit und können bis zum Einsetzen des Frosts Früchte tragen, die Früchte sind deutlich größer. Weit überwiegend sind Sorten ohne Ausläufer in Kultur, die stattdessen vieltriebige Kronen mit zahlreichen Blütentrieben bilden. Sie müssen durch Teilung oder vorzugsweise durch Aussaat vermehrt werden, da die Vitalität der Pflanzen nach einigen Jahren nachlässt. Als Stammeltern der Monatserdbeere gelten einerseits die in den Alpen heimische Unterart Fragaria vesca var. semperflorens (Duchesne) Ser. und andererseits die hin und wieder auftretende ausläuferlose Buscherdbeere, Fragaria vesca forma eflagellis. Großfrüchtige Formen sind seit dem 18. Jahrhundert in Frankreich unter dem Namen „Fressant“ bekannt. Monatserdbeeren mit Ausläufern eignen sich als Bodendecker, ausläuferlose Sorten als Randbepflanzung von Beeten. Auch die an Naturstandorten zu findende weiße Form forma alba ist in die Kultursorten eingekreuzt worden. Daneben gibt es seit langer Zeit auch ornamentale, teils kuriose Sorten:
Kultursorten von Fragaria vesca (Auswahl):
Dauertragend, ohne Ausläufer:
- ‘Rügen’, entstanden in der Schlossgärtnerei in Putbus auf Rügen, von dem Erdbeerzüchter Emil Spangenberg aus Morsleben 1920 in den Handel gebracht.
- ‘Alexandria’, George W. Park Seed Co, USA, 1964
- ‘Baron Solemacher’, F. C. Heinemann, Erfurt 1935
- ‘Weisse Solemacher’ F. C. Heinemann, 1937, weißfrüchtig
- ‘Golden Alexandria’, goldlaubig
Mit Ausläufern:
- ‘Quarantaine de Prin’, Frankreich, vor dem Ersten Weltkrieg bedeutende Marktfrucht, heute noch in winzigen Mengen in Prin-Deyrançon in der Region Poitou gezogen, mehrmals tragend
- ‘Blanc Amélioré’, Großbritannien, weißfrüchtig mit großen Früchten vom Typ Fressant
- ‘Illa Martin’, Deutschland, als Zierpflanze angeboten, mehrmals tragend mit länglichen weißen Früchten; im Handel befindliche Pflanzen zumeist nicht sortenecht.
- ‘Gartenfreude’, Deutschland, großfrüchtig, mehrmals tragend
Ornamentale Sorten:
- ‘Monophylla’, Erdbeere von Versailles, statt des gewöhnlich dreigeteilten nur ein großes Blatt; vireszente Blüten
- ‘Multiplex’, gefüllt blühend, Fruchtertrag sehr gering
- ‘Muricata’, „Plymouth-Erdbeere“; statt der Nüsschen ist die Frucht mit winzigen Blättchen besetzt; vireszente Blüten
Pflanzenheilkundliche Verwendung
Im Mittelalter und darüber hinaus fand insbesondere das Kraut der Wald-Erdbeere, das Erdbeerkraut, gelegentlich medizinische Anwendung, unter anderem als Arzneimittel zur Wundbehandlung. Aufgrund des Gerbstoffgehaltes werden Erdbeerblätter als Heilmittel bei Durchfall verwendet. Die jüngeren Erdbeerblätter werden auch als Ersatz für Schwarzen Tee verwendet. Zur Teebereitung werden fein geschnittene und getrocknete Blätter mit kochendem Wasser übergossen und nach einigen Minuten abgeseiht. Bei Durchfall wurde das mehrmaltägliche Trinken dieses Tees empfohlen.
In der Ausgabe des Deutschen Arzneimittel-Codex des Jahres 2008 sind Erdbeerblätter als Fragariae folium monographiert. Das Bundesgesundheitsamt beurteilt die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit wie folgt:
Carl von Linné – der die Wald-Erdbeere 1753 in seinem Species Plantarum beschrieb – soll sich durch eine Kur mit Erdbeerblättertee und frischen Walderdbeeren von der Gicht befreit haben.
Inhaltsstoffe
Erdbeerblätter enthalten kondensierte Gerbstoffe, Ellagitannine wie Peduncluagin und Agrimoniin, sowie Flavonoide und Leukoanthocyane. Ascorbinsäure ist nur in geringen Mengen und ätherisches Öl nur in sehr geringen Mengen vorhanden. Im Aromaextrakt können rund 80 chemische Substanzen, wie Buttersäureethylester,
Essigsäurebutylester, Essigsäurehexylester, Essigsäureoctylester, Essigsäuredecylester, Essigsäurebenzylester, Caprylsäureethylester, Caprinsäuremethylester, Capronsäureethylester, Laurinsäuremethylester, Tridecanol, Zimtsäuremethylester, 2-Hexenal, 1-Hexanol, 1-Hexenol, 2-Heptanol, 1-Octanol, 2-Nonanol, 2-Nonanon, 2-Undecanon, 2-Pentadecanol, 2-Pentadecanon nachgewiesen werden.
Die Wald-Erdbeere in Märchen und Legenden
In vielen Legenden und Märchen spielt die Walderdbeere eine Rolle. Einer Legende zufolge soll die Gottesmutter Maria einmal im Jahr vom Paradies auf die Erde herabsteigen, um dort Erdbeeren für die verstorbenen und nun im Paradies lebenden Kinder zu sammeln.
Erdbeeren kommen in einem der von den Gebrüdern Grimm gesammelten Märchen vor: In Die drei Männlein im Walde lässt eine böse Stiefmutter die Heldin, nur mit einem Papierkleid bekleidet, mitten im tiefsten Winter nach Erdbeeren suchen. Ihre Suche führt sie zu den drei Männlein, die die Heldin aufgrund ihrer Hilfsbereitschaft belohnen.
Die Wald-Erdbeere in der Kunst
Walderdbeeren sind seit langer Zeit ein Symbol der Weltlust, der Verlockung und der Sinnenfreude. Das Christentum hat der Walderdbeere eine zweite Bedeutung beigemessen. Sie ist die Pflanze mit den rosenförmigen Blüten, die keine Dornen ausbildet, deren Beeren ohne Kern und Schale sind, die gleichzeitig fruchtet und blüht. Sie wurde daher zum Sinnbild der Rechtschaffenheit und zur Begleitpflanze von Maria auf mittelalterlichen Tafelgemälden. Wenn daher auf einem Gemälde der christlichen Kunst eine blühende Erdbeerpflanze auftaucht, ist sie außerdem als Allegorie frommer und guter Gedanken zu verstehen.
Geschichte
Quellen
- Antike – Spätantike: Plinius 1. Jh. --- Pseudo-Apuleius 6. Jh.
- Lateinisches Mittelalter: Hildegard von Bingen 12. Jh. --- Frankfurt, ms. Germ. Qu. 17, 1. Viertel 15. Jh --- Cpg 226 1459–1469 --- Cpg 558 1470–1485 --- Cpg 545 1474 --- Michael Puff 15. Jh. --- Nikolaus Frauenlob 15. Jh. --- Herbarius Moguntinus 1484 --- Gart der Gesundheit 1485 --- Hortus sanitatis 1491 --- Hieronymus Brunschwig 1500
- Neuzeit: Otto Brunfels 1532 --- Hieronymus Bock 1539 --- Leonhart Fuchs 1543 --- Mattioli / Handsch / Camerarius 1586 --- Nicolas Lémery 1699/1721 --- Onomatologia medica completa 1755 --- Jean-Louis Alibert 1805/05 --- Philipp Lorenz Geiger 1830 --- Wolfgang Schneider 1974
Historische Abbildungen
Literatur
- Detlev Arens: Sechzig einheimische Wildpflanzen in lebendigen Porträts. Köln 1991.
- Marianne Beuchert: Symbolik der Pflanzen – Von Akelei bis Zypresse. Frankfurt am Main 1995.
- Esther Gallwitz: Kleiner Kräutergarten. Kräuter und Blumen bei den Alten Meistern im Städel. Insel, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-458-33518-8.
- Heinz-Dieter Krausch: Kaiserkron und Päonien rot … – Entdeckung und Einführung unserer Gartenblumen. Dölling und Galitz, Hamburg 2003, ISBN 3-935549-23-7.
- Angelika Lüttig, Juliane Kasten: Hagebutte & Co. Blüten, Früchte und Ausbreitung europäischer Pflanzen. Fauna, Nottuln 2003, ISBN 3-935980-90-6.
- Siegfried Schlosser (Hrsg.), Lutz Reichhoff, Peter Hanelt et al.: Wildpflanzen Mitteleuropas: Nutzung und Schutz. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1991, ISBN 3-331-00301-8.
- Wolfgang Schiedermair: Die Erdbeere – Waldfrucht, Teedroge und Symbol in der Kunst. In: Zeitschrift für Phytotherapie. Band 28, Nr. 6, 25. Januar 2008, S. 304–310, doi:10.1055/s-2008-1032221.
Weblinks
- Fragaria vesca L., Wald-Erdbeere. auf FloraWeb.de
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Fragaria vesca L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 7. November 2015.
- Thomas Meyer: Datenblatt mit Bestimmungsschlüssel und Fotos bei Flora-de: Flora von Deutschland (alter Name der Webseite: Blumen in Schwaben).
- Genom sequenziert
Einzelnachweise